Eine Bühne von Katrin Brack – das ist schönster Minimalismus als Umgebung einer Theaterszene. Das Saallicht wird dunkel, die Bühne wird aufgezogen und hinter mir raunt eine Dame im Publikum ihrer Begleitung zu: „Na bitte, hat sich schon ausgezahlt.“ Ein gemütlicher Sonntag-Abend im Akademietheater.
weitere Termine: 11.01. / 21.01. / 07.02.
Bühne: Blau-glitzernde Girlanden hängen von der Decke bis zum Boden. Sie sind Bäume, Wald, Säulen, Himmel, Baumkronen, Sumpfgebilde, Baustelle und Gebäude in einem. Einen faszinierenden, alles einnehmenden Raum hat die bekannte Bühnenbildnerin Katrin Brack hier der Regie Alexander Wiegolds zur Verfügung gestellt. Kathrin Brack ist für ihre minimalistische Arbeit bekannt:
Die ersten paar Minuten nimmt das Bühnenbild meine volle Aufmerksamkeit ein. Selten haben Decke, Boden und Seiten einer Bühne derart als Rahmen eines gefüllten Bildes gewirkt. Die Bühne allein ist den Besuch des herzerlfressers schon wert.
Sprache: Während Johann Adam Oest (acker rudi), Peter Knaack (fußpflege irene) und Sebastian Wendelin (pfeil herbert) Ferdinand Schmalz‘ nicht gerade unterkomplexe Literatursprache völlig zu ihrer eigenen gemacht haben, wirkt das von Merlin Sandmeyer (gangsterer andi) und Irina Sulaver (fauna florentina) sprachlich Dargebotene häufig falsch betont und unnötig affektiert. Besonders in den Zweier-Szenen wird deutlich, dass Knaack/Oest sich das Schmalzische angeeignet haben und Sandmeyer/Sulaver die junge Dramatik wie eine noch nicht flüssig beherrschte Fremdsprache sprechen.
Schauspiel/Regie: Besonders faszinieren Sebastian Wendelin als unheimlicher Romantiker, als nicht-einheimischer Nihilist, den man mögen will, der aber unheimlich bleiben muss, und Peter Knaack als „fußpflege irene“.
In der Darstellung der „fußpflege irene“ haben Regie, Kostüm, Make-up und Schauspiel alles richtig gemacht. Irene ist eine Frau, eine resolute, zu Esotherik neigende Fußpflegerin, der wir auf ihrer Liebes-Endeavour folgen. Dass sie von einem biologischen Mann gespielt wird, dient Wiegold nicht als Humorvorlage. Die Produktion nimmt Schmalz‘ Figur ernst und verhilft ihr zu ihrem vollen Recht. –
Die lockere Unaufgeregtheit, die Normalität, in der hier ein biologischer Mann als soziale Frau gezeigt wird, ist bemerkenswert. Cool!
Eine Frage hätte ich allerdings an die Regie. Im ersten Auftritt der Fußpflegerin sehen wir sie ein Fußbad nehmen. Knaack setzt sich auf einen Schemel, zieht die Schuhe aus und steigt in die bereitgestellte Plastikwanne – und trägt Strumpfhosen. Vielleicht bin ich kleinlich, aber solche Dinge stören mich. Mich irritiert daran, dass mir die Frage: „Wieso zieht sie die Strumpfhose nicht aus?“ derart im Kopf steht, dass ich in dem Moment dem Text nicht folgen kann… Was soll mir das erzählen? Soll die Strumpfhose einfach wegbehauptet werden? Ist Irene eine schlechte Fußpflegerin?
Text: Schmalzisch ist lustvoll konsumierbares Diskursgewitter. Alle verfügbaren Metaphern über die Liebe und das Herz werden da aufgenommen und ausgestellt. Zwischen Witz und Cleverness finden sich immer wieder wunderschöne Wahrheiten:
„Auch, wenn wir uns in unsere Lebensformen quälen, dürfen wir nicht vergessen, dass es nur Möglichkeiten sind.“
heißt es da. Und:
„In der Enge unserer Herzen tragen wir die Liebe der ganzen Welt.“
Zum Schluss beeindruckt der literarische Monolog des Alleinunterhalters, den Sebastian Wendelin unheimlich, unnahbar, liebevoll, getrieben, ganz offen und gleichzeitig versteckt darstellt. Wendelins Schauspiel öffnet wie das Bühnenbild den theatralen Zauber: minimalistisch, offensichtlich und zugleich geheimnisvoll.