Die Universität als Ort aktueller gesellschaftlicher Debatte aktivieren: Das war das Ziel der Ringvorlesung zum Thema Flucht, Migration, Theater im Wintersemester 2015 an der Uni Wien. Anderthalb Jahre später ist nun ein Buch erschienen mit Beiträgen aus Wissenschaft und Kunst, das diese Woche im brut vorgestellt wurde.
Als die Vorlesung im Herbst 2015 startete, war die gesellschaftliche Stimmung noch beflügelt von der Willkommenskultur und von Angela Merkels „Wir schaffen das“. Die Organisatorinnen vom tfm | Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft Birgit Peter und Gabriele C. Pfeiffer hatten Refugees, Migrant_innen, Aktivist_innen, Künstler_innen, Theaterschaffende und Wissenschaftler_innen eingeladen, die Woche für Woche von ihrer Arbeit, von ihren Projekten, von ihren Visionen erzählten und mit den Studierenden ins Gespräch kamen: über Exil-Theater, Performance und Migration, Aktivismus und Kunst sowie über ihre Projekten, wie das Kollektiv „Die schweigende Mehrheit sagt JA!“, die mit Refugees Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ auf die Bühne brachten oder das diverCITYLAB, dem postmigrantischen Theaterlabor.
Aber was bleibt von einer Vorlesung? Und was bleibt von einer Flucht, die aufgrund von mangelnden Dokumenten immer noch viel zu wenig in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung beachtet wird?
Peter und Pfeiffer riefen als Herausgeberinnen ein vielstimmiges Publikationsvorhaben ins Leben: Die Beitragenden der Vorlesung sollten in Texten von ihren Geschichten, Ideen und Projekten berichten; aber auch jede_r andere, der_die in der Vorlesung mitgedacht und -diskutiert hatte, sollte zu Wort kommen können. Ein studentisches Redaktionsteam fand sich ab Anfang März regelmäßig zusammen, um die Autor_innen zu betreuen, Interviews zu führen und Dokumente zusammenzutragen und um schließlich alles auf 564 Seiten zusammenzuführen.
Als der Sammelband im Dezember aus der Druckerei kam, neigte sich ein turbulentes Jahr zu Ende: ein europäisches Land stimmte für den Austritt aus der EU, brennende Asylunterkünfte in Deutschland, eine endlose Schlammschlacht um die Hofburg, eine Theateraufführung mit Refugees, die von der sogenannten „Identitären Bewegung“ gestürmt wurde. Von der positiven Stimmung zu Beginn der Vorlesung war nicht mehr viel übriggeblieben.
In der vergangenen Woche kamen dann alle – Herausgeber_innen, Autor_innen, Förderer und Unterstützer_innen – im brut noch einmal zu einer Buchpräsentation zusammen. Neben Grußworten vom brut und von offizieller Seite der Universität dankten die Herausgeberinnen Peter und Pfeiffer den zahlreichen Mitwirkenden.
Viele der insgesamt 63 Autor_innen des Sammelbandes waren an der Buchpräsentation beteiligt. Der Hauptakteur des Abends, das Buch, wurde mit einem „lebendigen Inhaltsverzeichnis“ auf der Bühne präsentiert: Die einzelnen Beiträge wurden mal szenisch, mal performativ, mal chorisch oder musikalisch präsentiert. Das Publikum bekam so einen Eindruck, was schwarz auf weiß in der Publikation festgehalten ist.
Nachdem am Anfang des Projekts das Theater zu Gast an der Universität war, kam die Universität für die Präsentation ins Theater. Jeder der beiden Orte hat seine eigene Form, sich an der aktuellen Diskussion zu Flucht und Migration zu beteiligen. Das Produkt dieses Austauschs findet sich in der nun veröffentlichten Publikation.