Dreieinhalb Stunden sind leider viel zu lang für Arthur Millers „Hexenjagd“ am Burgtheater. Und das ist nicht das einzige, was Martin Kušejs Inszenierung zu einem problematischen Theaterabend macht.
weitere Termine: 18., 21., 28. Februar und 1., 19., 29. März
Es flüstert und stöhnt im Burgtheater. Auf der Bühne sitzt ein Dutzend Mädchen, halbnackt, zwischen unzähligen großen Holzkreuzen. Mit Stricken strangulieren sie sich, anscheinend zum Lustgewinn.
Reverend Parris (Philipp Hauß) entdeckt die Mädchen bei ihrer Massenmasturbation und in den folgenden Tagen sind viele der Mädchen krank, allen voran seine Tochter Betty (Irina Sulaver), die nicht mehr ansprechbar ist. Doch das ist nur gespielt, um sich mit ihren sexuellen Vorlieben nicht der prüden puritanischen Umgebung zu stellen. So entsteht das Gerücht von Hexerei, der die Mädchen verfallen sind und die Hexenjagd beginnt.
Die Bühne (Martin Zehetgruber) ist übersät von Holzkreuzen, die mal einen Wald, mal die Säulen eines Gerichtssaals oder ein Pfarrhaus darstellen, immer jedoch die Allgegenwart des christlichen Glaubens symbolisieren. Das 17-köpfige Ensemble, unterstützt von mehreren Statistinnen, spielt fast ausschließlich ganz vorne, in direkte Nähe zum Proszenium. Die Hinterbühne liegt immer in absoluter Dunkelheit und die Auftritte der Schauspieler_innen erfolgen von dort. Die Auftritte gleichen so eher Erscheinungen.Jede Figur hat in dieser Inszenierung vielleicht Zauberkräfte und ist verdächtig, die Mädchen verführt zu haben. Das Licht (Friedrich Rom) und die Musik von Bert Wrede kreieren eine bedrückende Stimmung, die sich bis in den Zuschauer_innenraum hinein entfaltet.
In der ersten Stunde von Kušejs Inszenierung etabliert sich durch schnelle Szenenfolgen ein kurzweiliger Rhythmus. Doch schon vor der Pause flacht der Spannungsbogen ab und der Rhythmus gerät aus dem Takt. Die Dialoge werden durch überflüssige Kunstpausen extrem gedehnt und das Regiekonzept nutzt sich schnell ab.
Auch nach der Pause bringt die endlos lange Szene im Gericht den Spannungsbogen nicht zurück. Michael Maertens als Stellvertreter des Gouverneurs schafft es zwar, dem Publikum einige Lacher zu entlocken, dennoch wirkt der zweite, kürzere Teil dieser Inszenierung fast länger als der erste. Eine Zuschauerin einige Sitze neben mir reagiert prompt und schält sich mit „Ich kann nicht mehr sitzen.“ eine Stunde vor Stückende aus der Sitzreihe.
Dass Marie-Luise Stockinger sich als Mary Warren während ihres Verhörs vor dem Gouverneur-Stellvertreter bis auf die Unterhose ausziehen muss, lässt zudem noch die Frage aufkommen, ob hier nicht Sexismus im Spiel ist. Während Leopold Lippert von Nachtkritik findet, dass sich die Angst der puritanischen Männer vor weiblicher Sexualität wirklich sehen lassen kann, stellt sich im Umkehrschluss die Frage, ob sich Kušejs Inszenierung angemessen vom sexistischen Umgang mit Frauen und ihrer Sexualität distanziert und ob hier nicht einfach kommentarlos reproduziert wird, was sowieso Alltagrealität ist: Nicht nur die männlichen Figuren auf der Bühne haben Angst vor der weiblichen Sexualität, sondern auch die männlichen Zuschauer. Stockingers Körper ist nämlich nicht der einzige, der sich nackt auf der Bühne zeigt und kurz vor Schluss wird Tituba (Barbara Petritsch), angeklagt der Hexerei, vom Gefängniswärter (Daniel Jesch) in ihrer Zelle brutal vergewaltigt. Es entsteht der Eindruck, dass die Frauen dieser Inszenierung in ihrer Mädchenhaftigkeit belassen werden sollen, sie dürfen sich zwar den Männern des Stücks und des Zuschauer_innenraums als Sexualobjekt zeigen, aber keine eigene Sexualität ausleben. Und für die, die keine Mädchen mehr sind, ist Sexualität mit Gewalt verbunden.
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