„Man sage nicht, es wäre der Mühe nicht wert gewesen“, heißt Frédéric Lions Inszenierung von Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ und Becketts „Das letzte Band“ im Theater Nestroyhof Hamakom. Statt beide Texte miteinander zu verknüpfen, stehen sie lediglich nebeneinander. Die Suche nach ihrer Verbindung bleibt ergebnislos.
Weitere Termine: 16.-18. und 22.-25. März
Der erste Teil des Abends beginnt vielversprechend. Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“, in dem Rotpeter, ein zum Mensch gewordener Affe, von seiner Assimilation erzählt, inszeniert mit einem Schauspieler (Michael Gruner), stellt die Frage: Was bedeutet es, Mensch zu sein? Gruner verkörpert dabei beide Lebewesen zur gleichen Zeit, wobei er als Affe dabei jene Verhaltensweisen darstellt, die dem Menschen kulturell ausgetrieben wurden: er rülpst, er gibt Geräusche von sich, die nicht den Konventionen kultivierter Sprache folgen (andere würden sie vielleicht als Tiergeräusche bezeichnen), er trägt eine Windel. Eine Wunde im Gesicht (Maske: Katharina Gräse) verweist auf seine Vergangenheit abseits von Polstermöbeln und Airbags. Als Mensch versucht sich Rotpeter vor allem mit direkter Interaktion mit den Zuschauer_innen. Er nimmt im Publikum Platz, er versucht sich an der Konvention des Händeschüttelns. Kafkas Text breitet sich durch Gruners angenehm sonorer Stimme im Raum aus und wird durch sein Spiel zum Leben erweckt.
Das Publikum wird dabei Teil des Reflexionsprozesses. An der Bühnenrückwand ist ein großer Spiegel platziert, auf den einerseits Ausschnitte aus dem Film „King Kong“ projiziert werden, andererseits sich die Zuschauer_innen selbst sehen können (Raum: Andreas Braito).
Zu Beginn der Inszenierung sitzt Gruner in einem Sessel, mit dem Rücken zum Publikum. Ob er wohl King Kong zuschaut oder dem Publikum? Nicht nur Rotpeter reflektiert, was es bedeutet Mensch zu sein und wie der Assimilationsprozess von Affe zu Mensch ablief. Auch das Publikum kann sich hier, so wird suggeriert, selbstreflexiv mit Blick in den Spiegel fragen, was es bedeutet, Mensch zu sein. So sind Figur und Publikum Teil ein und desselben Denkprozesses, angeregt durch den Aufbau des Raumes und unterfüttert mit Kafkas Text.
Der Bruch erfolgt mit der Pause. Danach folgt Becketts „Das letzte Band“, ein Einpersonenstück über einen Greis, der sich mithilfe von Tonbandaufnahmen an frühere Zeiten erinnert. Der Spiegel wurde umgedreht, auf der Bühne steht ein Tisch mit dem Tonbandgerät. Als Greis Krapp spielt Gruner weniger agil, die Bewegungen und das Sprechen fallen ihm schwer. Also hört er dem Tonband zu und sitzt meist regungslos an seinem Tisch.
Während der erste Teil von Gruners beeindruckendem Spiel und von stringenten und passenden Regieideen geprägt ist, flacht die Spannung nun ab, die Inszenierung wird langatmig. Überhaupt hat Lion hier kaum etwas zum Beckett-Text hinzuzufügen, das Bühnengeschehen folgt fast exakt den Szenenanweisungen aus dem Text.
Die große Frage des Abends besteht aber ohne Zweifel darin, worin der Bezug zwischen diesen beiden Texten liegt. In der Inszenierung ist er kaum zu finden. Die Banane kann als Motiv herhalten, die in beiden Teilen zu finden ist: Während die Banane als Nahrungsmittel von Affen und Menschen im ersten Teil einen Bezug zwischen beiden Lebewesen herstellt, ist sie im zweiten Teil wohl eher als Phallussymbol zu verstehen (in Becketts Text wird sogar präzisiert, dass eine „große Banane“ verwendet werden soll), die vorwegnimmt, dass Krapp an den Erinnerungen mit einer Geliebten Gefallen finden wird.
„’Das letzte Band‘ von Beckett kann wie die Kehrseite von Kafkas ‚Ein Bericht für eine Akademie‘ gelesen werden.“
schreibt das Theater Nestroyhof Hamakom in der Ankündigung auf seiner Internetseite. Beide Figuren seien auf der Suche nach ihrer Identität. Natürlich kann man, wenn man die Themen von Stücken oder ihre Motive genügend abstrahiert, immer einen Bezugspunkt finden. Doch je größer die Abstraktion, desto fragwürdiger die Verbindung. Da reicht die Banane nicht.
Und so stehen beide Stücke, „Ein Bericht für eine Akademie“ und „Das letzte Band“, an diesem Theaterabend merkwürdig gegenüber, getrennt von einer Pause, die angesichts der 90-minütigen Spieldauer kaum nötig gewesen wäre. Das Publikum wird damit alleingelassen herauszufinden, wo die Verbindungspunkte liegen. Sicherlich gibt es sie, doch die Inszenierung hätte deutlicher auf sie hinweisen können.