Während die Chefredaktion auf Urlaub in Israel weilt (wie man auf Instagram sehen kann), war Wera Hippesroither bei der Premiere der Frotzler-Fragmente im Schauspielhaus Wien – eine kurze Geschichte des Geldes, der Wirtschaft und (vielleicht) deren Zukunft.
weitere Termine: 18., 21., 22., 23., 24., 25., 28., 29. März und 4., 5., 6., 7., 8. April (je 20.00)
Das Berliner Theaterkollektiv FUX gibt am Schauspielhaus Wien mit der Produktion „Frotzler-Fragmente: eine postmonetäre Doppelconférence“ sein Österreich-Debut und nützt seine bewährte Technik. Bestehende Theaterformen werden aktualisiert, um einen historischen Dialog herzustellen und einen ungeahnten Blick auf heutige Themen zu werfen.
Diesmal geht es um die Geschichte des Geldes. Diese wird von Beginn an in kurzen Szenen erzählt und gipfelt in der Gegenwartsdiagnose der andauernden Finanzkrise. Diese Situation wird mit der der Zwischenkriegszeit verglichen, was zum dramaturgischen Rückgriff auf das Format der Revue führt. Karl Farkas tritt als Moderator auf und führt in das klassische Format der Doppelconférence ein, das in Wien wohlbekannt ist: ein Kabarett-artiges Stück, das aus kurzen Sketches besteht und jeweils eine gescheite mit einer dümmlichen Figur kombiniert. Diese veranschaulichen aktuelle Themen und setzen sich – durchaus politisch – damit auseinander, was am Ende einer jeden Kurzszene zu einer Einsicht oder Moral führt. Mit Erwin Piscators politischem Theater und der Berliner Volksbühne hat dies recht wenig zu tun, auch wenn Piscator als Figur in der Revue auftritt. Die direkte Rede ans Publikum im „Propagandaanzug“ (bestehend aus bunter Unterhose und Strasskrawatte) wirkt mehr als absurd, ruft aber viel Begeisterung im Publikum hervor.
Allgemein ist die Stimmung heiter. Es gibt viel Zwischenapplaus und Lacher aus den Zuschauer_innenrängen. Die größte Stärke des Revue-Formats ist deutlich die Nähe zum Publikum und die Möglichkeit der direkten Adressierung. Doch dieser dramaturgische Griff ist mehr als eine inhaltliche Anekdote, wird er doch auch zur Reflexion auf mehreren Ebenen genutzt: die Aufgaben des kapitalistischen Systems genauso wie die Verantwortung des Konsumenten, der Konsumentin von heute werden mithilfe des Formats reflexiv hinterfragt, auch die Figur des Schauspielers, der Schauspielerin wird reflexiv gespielt.
Wenn ein Wirtschaftsexperte als Gast in der Revue auftritt und die Frage in den Raum wirft, ob Wirtschaft denn lustig sein könne, gibt er gleichsam das große Thema des Abends vor. Die „Frotzler-Fragmente“ werden zu einem politischen Lehrstück und erklären mit einfachsten Gedankenbildern abstrakte Begriffe aus der Finanzwelt. Ergänzend informiert das kleine ABC der Wirtschaft im Programmheft. Ausgehend von den lange zurückliegenden Anfängen des Geldsystems wird eine historische Linie gezeichnet: nach der Gegenwartsdiagnose der Dauerkrise werden mögliche Auswege aus der Krise veranschaulicht, welche momentan diskutiert werden, darunter die sogenannte shared economy oder das bedingungslose Grundeinkommen. Eine Shownummer weißt jedoch darauf hin, dass „dies alles nicht so einfach sei“, weshalb der Blick auf die Zukunft gerichtet und die geldlose Gesellschaft als ein utopischer Ausweg präsentiert wird. Doch wie die Figuren vorführen, ist diese nicht einmal vorstellbar, weshalb der Aufruf „Denken Sie jetzt!“ etwas ins Leere verhallt.
Fazit: Die Stärken liegen in der reflexiven Auseinandersetzung mit dem Format der Revue, welches auf einer Wiener Bühne erwartungsgemäß gut ankommt, doch der politische Inhalt verbleibt in Andeutungen und die Bedeutung geht in der humorvollen Überzeichnung etwas verloren. Ganz im Sinne des Fragments fehlt die Kohärenz.
Frotzler-Fragmente: eine postmonetäre Doppelconférence
Autor/in: FUX – Nele Stuhler & Falk Rößler
Regie: FUX – Nele Stuhler & Falk Rößler
Bühne & Kostüme: Aleksandra Pavlovic
Musik: Jacob Suske
Dramaturgie: Jacob Suske
Besetzung: Simon Bauer, Steffen Link, Vassilissa Reznikoff, Sebastian Schindegger
Premiere: 11. 3. 2017