„Heute heißt Freiheit verschuldete Müdigkeit.“ lässt Thomas Köck seinen Jugend-Chor sagen. Gemeinsam mit der Regisseurin Elsa-Sophie Jach ist dem jungen, österreichischen Dramatiker mit „Diese Zukunft reicht uns nicht (klagt, kinder, klagt)“ ein beeindruckender Blick in die politische und mediale Gegenwart gelungen. Erbschaftssteuer, Instagram, Schlagstöcke. Die Jugend hat begonnen Banden zu bilden.
bis 16. Dezember 2017 im Schauspielhaus Wien. zu den Terminen
Das neue theatrale Werk aus der Lebenswelt von Thomas Köck stellt sich die Frage „Woraus wird Morgen gemacht sein?“. Ein Kolibri, getragene Musik, aufgebahrte Leichen in weißen Säcken dekorieren den Bühneboden, eine Drohne fliegt bedrohlich durch den weißen, sterilen Raum, der nur von hereinragenden, dürren Ästen gebrochen wird. Eine junge, weiße Seherin (Sophie Löffler) beginnt die „postheroische Schuldenkantate“ mit einem langen Monolog, den sie schon so oft gehalten hat, dass sie sich zwingen muss, weiter zu sprechen.
Erzählt wird die Geschichte eines Buches, das am Ende der Zeit von einem orientierungslos gewordenen Roboter gefunden wird. Das unbeschreiblich alte Buch kann schließlich von einer alten, blinden Frau übersetzt werden. Es erzählt die Geschichte einer Stadt, in der (durch technologischen Fortschritt) alles ständig erleuchtet ist. Doch das Sprachbild trügt.
Zwar leuchtet in dieser längst vergangenen Stadt alles – wir ahnen schon, es ist unsere Gegenwart über die hier verhandelt wird -, doch kommt mit dem Licht noch lange keine Erkenntnis. Sophia Löffler führt als gelebter #thefutureisfemale durch die Agora der Gleichzeitigkeit. Thomas Köck läuft zu textlichen Höchtformen auf. Einem technisch unglaublichen, selbstbewusst frustriertem, depressivem und wunderbar aggressivem „Kinderchor“ legt der Gegenwartsdramatiker rhytmisierte Beschreibungen unserer medialen und politischen Zeitgenossenschaft in den Mund, dass es nur so staubt.
Immer zudringlicher werden die Kinder, die als „Chor“ eine der vielen Banden dieser zitierten Stadt gebildet haben und gegen elitäre Erbrechts-Vorstellungen in den Krieg ziehen. Die Seherin versucht sich den theatralen Raum zurückzuholen, indem sie „Mutter“ spielt. (Das ist sehr witzig. Sie wiederholt „Ich bin doch nicht deine Mutter!“ und praktiziert gleichzeitig mütterliche Disziplinierung. Die Kinder gehorchen.) Doch der Chor gibt nicht auf. Er lässt sich von der hegemonialen Erwachsenen nicht zerbrechen. Der Chor wehrt sich.
Es sind Bilder wie diese, die einen ästhetischen Generationenkonflikt auszulösen vermögen. Ich – kid of the 80s – denke mir beim Formieren des Chores, bei seiner Bewaffnung:
„Wir müssen alle wieder mal so richtig pogen – um uns die Realness zurückzuholen, die Angst rauszuschütteln, aus unserem prekarisierten Alltag, dessen Zukunft in der Hand von Sebastian Kurzs liegt. Wir müssen Banden bilden!“
Meine Begleitung – kid of the 50s – weicht erschreckt zurück vor der Entindividualisierung, vor der bewaffneten, militarisierten, uniformen Menschenmasse, fühlt sich erinnert an Krieg, Faschismus, die Macht der verführten Masse.
Eine Trauerkantate von Bach mit Zitaten von superreichen Erblassern (Donald Trump), Anwälten der ökonomischen Ungerechtigkeit (Sebastian „Sollen wir in Österreich jetzt auch noch das Sterben besteuern?“ Kurz) und unvorstellbar privilegierten Erben (Ivanka Trump) zu einem Text zusammenzufügen und – wie nebenbei – Facebook und Instagram zu dramatisieren, dass dieser Spagat klappt ist der Verdienst von Thomas Köck und Elsa-Sophie Jach.