Playground gastierte gestern mit der Uraufführung von „Mehltau“ im Theater Brett. Das Stück von Florian Drexler und Patrick Trotter überzeugte das Publikum mit makaberem Humor, genialen Dialogen, schöner Musik und aktueller Gesellschaftskritik. Am Ende wurde so lange geklatscht, dass die SchauspielerInnen fast aus der Puste waren.
Kleidung, die an unsere Vorfahren – die Urmenschen – erinnert. Annas meditierende Position. Entspannende Musik. Der Anfang des Stückes lässt nicht erkennen, dass der Inhalt aktuell und kritisch in Bezug auf unsere digitalisierte Gesellschaft ist. Es gibt „SpielerInnen“ und „VerfolgerInnen“: SpielerInnen sammeln Herzen von den VerfolgerInnen und streben an, im Moment zu leben – aber so wie es die VerfolgerInnen wollen. Dafür veröffentlichen sie die ganze Zeit Fotos und Beiträge von ihrem Privatleben und Freizeitaktivitäten. Elias ist ein Ex-Spieler, seine Lebenspartnerin Anna eine Verfolgerin, die Spielerin sein möchte. Irina ist eine erfolgreiche Spielerin aus Überzeugung, die Anna in das Spielerinnen-Dasein einführt.
„Jede Bewegung. Jeder Blick. Jedes Geräusch. Jeder Gedanke. Jede Erinnerung oder Erfahrung. Alles wird aufgezeichnet. Vermessen. Verwertet. Und anschließend bewertet. Als gut oder schlecht befunden. Aber irgendwie fehlt immer etwas.“
Sofort fällt einem als jungem Menschen nicht nur die eigene Identitätssuche ein: Wer bin ich? Inwieweit entscheide ich über mein eigenes Leben bzw. die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen ich lebe? Sondern auch: Ist es mir wichtig, wie viele „Herzen“ ich in den sozialen Medien bekomme? Ist dann erst das, was ich erlebt habe, echt? Mir als Publizistikstudentin und jungem Menschen spricht „Mehltau“ gewissermaßen aus der Seele: Es spricht die Sprache der „Generation Y“ und aller darauffolgenden Generationen.
„Mehltau“ ist eine Krankheit, die von Pilzen verursacht wird. Sie taucht erst auf, nachdem Anna Spielerin wird und anfängt, alles zu tun, um Herzen zu häufen. Sie kann die „Freiheitsdiktatur“ nicht aushalten: jeder scheint frei zu sein, wird aber in Wirklichkeit von der Masse, die Herzen vergibt, kontrolliert. Anna verliert sich auf ihrer besessenen Suche nach Herzen. Sie zerbricht daran und vergisst ihren eigenen Sohn, Jan, was zum Nachdenken anregt. Das ist Theater für mich: ein Anstoß zum Denken, möglicherweise Handeln.
„Die ganze Zeit brauchen wir Bestätigung. Damit wir das Gefühl haben richtig zu sein. Am richtigen Platz zu sein. Die Leute haben Angst. Sie scheißen sich an. Haben Angst davor was falsches zu sagen. Was falsches zu denken. Was falsches zu tun. Falsch zu leben. Falsch zu sein.“
Die Übergänge mit den Stroboskopeffekten und der begleitenden Musik von Valentin Eybl und Erich Konlechner fügen sich perfekt in das Stück ein, sodass man sie fast gar nicht mehr als Übergänge wahrnehmen kann. Während Anna, Elias und Irina sich wörtlich an den Kragen springen, wollen sie „meditieren“ und „im Moment leben“. Der teils zwischen den Zeilen, teils direkte Humor des Textes lockert die Atmosphäre auch noch auf – was will man mehr?!
Fazit: Bitte mehr davon! Aktuelle Gesellschaftskritik mit Humor und wundervoller Musik.
MEHLTAU
Eine Produktion von Playground
Premiere am 11.01.2018 im Theater Brett
Schauspiel: Henrietta Isabella Sophie Rauth, Julia Prock-Schauer, Kilian Klapper, Fela Nossek.
Regie: Florian Drexler
Dramaturgie: Patrick Trotter
Text: Florian Drexler, Patrick Trotter
Bühne und Kostüm: Sarah Sternat
Musik: Valentin Eybl, Erich Konlechner
Lichtdesign: Sabine Wiesenbauer
Outstanding Eyes: Helene Sust, Michael Walk
Design: Nicole Zimmermann
Presse: Simon Hajós
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