Das brut Wien macht aus der Not eine Tugend. Während die Heimat des Performance-Betriebes am Karlsplatz renoviert wird, verteilt das brut seine Veranstaltungen in der ganzen Stadt. Das ermöglicht völlig neue Besucher_innen-Erfahrungen. Ein Bericht

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„We all very often have very unpleasant thoughts.“ läuft über den Screen an der Wand des Kassenbereichs. Sorgfältig eingeflochten in den sozialen Raum des städtischen Hallenbades in Wien-Hernals. Eine Bademeisterin kommt auf uns zu, sieht uns starr an und erzählt von Unter-Wasser-Sex. Und, dass wir Menschen ja aus Wasser gemacht sind. Dann geht sie wieder. Ich mag 1 on 1 Performances nicht, wenn nicht klar ist, wie ich mich als Publikum verhalten darf. Klappe halten oder mitreden?

Wenig später kommt Oleg Soulimenko an unseren Tisch. Er spricht über Transparenz -, dass man heutzutage vor lauter Symbolen und Sprache gar nichts mehr sehen kann. Wir diskutieren mit ihm über diese These. Ich weiß nicht, ob er sich das so vorgestellt hat. Oleg Soulimenko bläst in ein leeres Jausensackerl und verschließt es. Er sagt: Darin ist jetzt das Böse, das ich in meiner Lunge hatte. Ich schenke es dir. Gibt mir das Sackerl und verschwindet. Dann werden wir in das Bad gelassen und verteilen uns auf allen drei Ebenen der Halle.

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Ich check mir eine Badeliege. Barfuß bin ich schon und heute sogar in Jogginghose gekommen. Gmiatlicher war ich noch nie im Theater. Es hat 28 Grad. Die Performer_innen spielen mit Badenudeln zu ruhiger Musik, fischen Kleidung aus dem Wasser, nehmen die Abflussabdeckung seitlich des Pools ab und spielen mit dem ablaufenden Wasser. Nebel kommt aus der Rutsche. Scheinwerfer, Wasser, die Architektur des Jörgerbads. Das Setting ist so simpel.

Kindliches Staunen und die Freude am Entdecken erfüllen mich. Wie der 6-jährige Bub, der von Performance-Ort zu Performance-Ort geht und ganz genau zusieht, bewege auch ich mich immer wieder von meiner Liege weg. Ich hocke neben der Performerin, die Gegenstände aus dem Abfluss fischt. Ein Besucher badet seine Füße während er den schwimmenden Performer_innen zusieht.

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Zur Hälfte der Performance spüre ich richtig, wie das Hiersein und agendafreie Beobachten gut für meine Seele ist. Doch dann werde ich unruhig. Ich erkenne keinen dramaturgischen Bogen, habe den Wunsch nach etwas Dichterem, nach Mehr. Nach Ende der Performance bleibe ich noch etwas aus meiner Liege sitzen und sehe dem Abbau zu. Ich wünsche mir, öfter zu so gmiatlichen Performances in die schönen Wiener Bäder kommen zu dürfen.

Fazit: Es macht so viel Sinn, sich vom brut durch seinen Kulturkonsum leiten zu lassen. Sucht euch was aus ->  www.brut-wien.at

Oleg Soulimenko
Swimming Pool
Performance/Tanz / Uraufführung

(c) Franzi Kreis.

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