Tamim Fattal ist kein Neuling auf der Bühne. Er spielte bereits am Muawiya Theater in Aleppo, bei Jihad Mnzor in Beirut und am Theater an der Wien. Trotzdem ist das Theater in der Josefstadt etwas Besonderes – die repräsentativen Räume, die enge Arbeit mit den Schauspiel-Größen Ulli Maier und Erwin Steinhauer, die Regieanweisungen *des* Herbert Föttinger. Wie erlebt der junge Syrer sein erstes Engagement am geschichtsträchtigen Haus in der Josefstadt? Neue Wiener hat Tamim Fattal zum Interview getroffen.

Neues Wiener Theater
Vielen Dank für diesen Termin! Wie war der Probenprozess? Kannst du uns ein bisschen darüber erzählen?

Tamim Fattal
Er war nicht sehr lang, eineinhalb Monate oder so. Es war das erste Mal, dass ich mit so professionellen Schauspieler wie Ulli Maier und Erwin Steinhauer spielte. Die sind echt gute Schauspieler und ich fühle mich schon inspiriert, wenn ich ihnen einfach nur zusehe. Herbert Föttinger ist dazu ein wirklich toller, starker Regisseur. Am Anfang war ich mir nicht ganz sicher, was meine Rolle war. Ich hatte die Rolle bekommen, sie gelernt; Ich bin zum Casting gekommen, aber trotzdem hatte ich keinen klaren Plan, was und wie ich genau spielen sollte. Es war auch ein bisschen anstrengend, weil alles auf Deutsch ist. Aber nach zwei Wochen fühlte ich mich schon wohler und selbstbewusster und verstand das Gleichgewicht zwischen unseren Rollen und was und wie ich zu spielen hatte. Es ist großartig, wirklich eine Ehre, mit Ulli Maier, Erwin Steinhauer und Herbert Föttinger arbeiten zu dürfen. Ich habe vieles gelernt und lerne noch.

Neues Wiener Theater
Du hast gesagt, du musstest deine Rolle erst finden. Was meinst du damit?

Tamim Fattal
Samir ist ein Flüchtling aus Syrien, der sich auf der Flucht vor der Polizei bei einem alten österreichischen Paar versteckt. Am Anfang war mir nicht klar, ob ich “einen Syrer”, “einen Flüchtling” oder – mich selbst spielen sollte. Beim Spielen geht man aus seiner Persönlichkeit hinaus und ich liebe das. Daher wollte ich diese Rolle nicht persönlich auslegen. Ich musste die Unterschiede zwischen mir und Samir erst finden. Wir sind beide Syrer und geflüchtet, aber unter denselben Umständen verhalten sich Menschen ganz unterschiedlich. Über weite Stellen habe ich keinen Text, bin aber auf der Bühne. Da musste ich Samir erst finden: Hat er jetzt Angst? Wie schaut er das sprechende Paar an? Versucht er, sie zu verstehen? Möchte er ihren Schutz? Vielleicht versteht er sie auch, aber will nicht, dass sie das wissen.

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Neues Wiener Theater
Das klingt sehr spannend. Wie war der Bewerbungsprozess für diese Rolle?

Tamim Fattal
Es war eines der schwierigsten Castings, an dem ich je teilgenommen habe. Es war sehr intensiv. Herbert sagte zu mir: Spiel mit dem Ball! Mach mal so! Sprich! Versteck dich vor der Polizei! – Er wollte mich unter Druck sehen. Ich nehme an, ich habe ihm bewiesen, dass ich imstande bin, Samir zu spielen und, dass ich die Arbeit ernst nehme. Ich habe ihm direkt in die Augen geschaut und sagte: Ja, ich werde jeden Tag hierher kommen um zu proben. Ich war offen und wollte diese Rolle so sehr. Ich glaube, er hat das gespürt und darum hat er mir die Rolle gegeben.

Neues Wiener Theater
Du hast vorher in Filmen und im Chor gearbeitet. Was sind die nächsten Schritte in deiner Karriere?

Tamim Fattal
Ich liebe das Theater, aber ich möchte mich nicht auf eine Sache beschränken. Ich will weiterhin auch in Filmen spielen. Ich spiele auch gern in Werbungen und würde gern für das Fernsehen spielen. Ehrlich gesagt bin ich nicht Schauspieler, weil ich eine politische Botschaft über z.B. Human Rights, sondern weil ich eine Leidenschaft habe. Ich liebe einfach die Schauspielerei. Aber wenn ich die Gelegenheit habe, eine Botschaft dabei zu vermitteln, dann mach ich das sehr gerne. Genauso wie in diesem Fall.

Neues Wiener Theater
Vielen Dank für das Gespräch und Alles Gute für die Zukunft!

Tamim Fattal
Danke!


Foto: Herbert Neubauer

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