Gastkommentar von Veronika Schneider zu „Meine algerische Familie“ – Buchpräsentation von Alice Schwarzer im Theater in der Josefstadt am 11. März 2018.
Bei der Präsentation von Alice Schwarzer zu ihrer Lesung im Theater in der Josefstadt wird deutlich, dass sich die Koryphäe der deutschen Frauenbewegung nunmehr anderen Themen widmet: Sie wird nicht als feministische Kämpferin, sondern als „lebenslange Kritikerin des politischen Islams“ vorgestellt.
Immerhin hält sie Kontakt zu Muslim_innen: Ihr neuestes Buch behandelt eine algerische Familie, zu der sie eine enge Freundschaft pflegt. Die witzreiche, kurzweilige Lesung lenkt allerding nicht vom postkolonialen Beigeschmack des Buches ab: Die Familie wird als „meine algerische Familie“ vereinnahmt, die (historischen, kolonialen, sozialen) Hintergründe der Gefahr von „islamistischem Terror“ werden verschleiert und Zahlen Algeriens wirken nur ohne Vergleiche erschreckend. 40% Jugendarbeitslosigkeit? Das schaffen Griechenland und Spanien dank deutsch geprägter Wirtschaftspolitik auch. Eine drei Milliarden teure Moschee? Deutschland hält Haushaltsüberschuss, aber die Armut steigt.
Schwarzer beschreibt nicht nur Aufenthalte bei der Familie, sondern gibt den einzelnen Familienmitgliedern auch den Platz, ihre Gefühle in Formen von inneren Monologen zu beschreiben. Der Zugang wirkt tolerant und offen, jedoch ist genügend Platz für antimuslimische Propaganda vorhanden.
Dies geschieht zum einen über die Protagonisten selbst, die sich in Europa „freier“ fühlten und Merkel ob ihrer offenen Haltung zu Flüchtlingen kritisieren, denn sie „gewähre nur den islamistischen Tätern“ Schutz. Dabei ermangelt es allerdings an Beispielen und der Erklärung, wie Schwarzer zwischen religiösen und politischen Muslimen unterscheiden möchte. Im Rahmen der Diskussionsrunde hat sie außerdem die Möglichkeit, anhand ihres Lieblingsthemas des Kopftuchs die Islamophobie noch größer aufzuziehen:
Obwohl sie relativiert, dass es auch evangelikale misogyne Strömungen gibt und konsequenterweise alle religiösen Symbole aus öffentlichen Räumen verbannt gehören, gilt ihr einziges Augenmerk dem Islam. Ihre Tiraden, dass „das Kopftuch nicht schön sei“ kommt bei dem bürgerlichen Publikum der Josefstadt gut an (ob dieses wohl das Frauenvolksbegehren unterschrieben hat?). Ein übermäßig selbstbewusster Mann kann für die „Ohrwascherlfreiheit“ plädieren (Verbot von langen Haaren?) und eine Frau sich in einer Wutrede gestenreich über das Menschenbild des Islams mokieren. Der Zwischenruf der kritischen Stimmen, dass Stöckelschuhe ein rückständiges Frauenbild auch im aufgeklärten „Westen“ verbreiten, bleibt leider nicht gehört. Die Freiheit der Frauen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, hört bei der europäischen Grenze auf.