Mit Superkräften gegen das Prekariat

Die Wiener Regisseurin Bérénice Hebenstreit hat den comic-inspirierten Roman von Barbi Marković „SUPERHELDINNEN“ für das Volkstheater Wien auf die Bühne gebracht. Im Interview erzählt sie, warum der Roman auf die Bühne gehört, welchen Stellenwert die Arbeit am Stück in ihrer Karriere einnimmt und was das ganze mit dem 5. Bezirk zu tun hat.

„SUPERHELDINNEN“ ist ein Abend für alle. Sehen Sie sich das an!
Termine unter: volkstheater/superheldinnen

 


Foto: © Robert Polster / Volkstheater

Mit traurigem Ernst – Hanna Binder spielt Charlie Manson

„Im Auftrag Charles Mansons“ feiert Premiere an dem Tag, an dem Charles Manson stirbt. Mit unheimlich großen, schwarzen Augen lädt Hanna Binder ein, im Werk X – Eldorado (Petersplatz) in die Abgründe des menschlichen „freien Willens“ zu blicken. Der Abend ist die Reise wert.

Achtungsetzdich! und das Werk X kooperieren in einer Stückentwicklung, die drei Frauen aufs Podest holt. Charles Manson wird zwar als Massenmörder in die Geschichte eingehen. Doch die Morde beging nicht er – sondern seine „family“. Wie kann ein Mann andere derart manipulieren? Diese Frage lag am Ursprung der Stückentwicklung, in die Originaltexte ebenso wie neu Geschriebenes einfloss. Hanna Binder spielt überzeugend den Sektenanführer Charlie, der von seiner „family“ gefürchtet wie angebetet wird.

manson01Zu Beginn weiß ich nicht so recht, wo ich bin – einem halbinspirierten Hippie-Traum aus Pappmarché und „beweglichen Elementen“? Doch dann nimmt Hanna Binder die Füße von Henrietta Rauth zu lecken, und hineinzubeissen. Schnell wird aus lustig sexy, aus sexy Ernst und aus Ernst Angst. Man lacht noch drüber, aber der Scherz ist längst verflogen. Hanna Binder hat narzistische Manipulation studiert.

manson03.jpgMit tiefer Stimme und maskulinem Habitus nimmt sie die Führungsrolle ein. Sie erschafft die Identitäten der Frauen neu, die ihm – Charlie – in die Fänge geraten. Das Regieduo Leitner/Werner stellt konsequent die drei Frauen aus. Einzeln stehen sie gut ausgeleuchtet auf ihren Podesten und geben Statements ab. Sie fühlen sich „schön und geliebt“ und sind der Überzeugung „Jesus“ vor sich zu haben.

In Teils leider schwer verständlichen Verschwörungstheorietiraden hämmert Hanna Binder nicht nur auf die drei Frauen, sondern auch auf das Publikum ein. Auch wir sind Teil ihrer „family“ auf der „Range“, am Weg ins Death Valley, um den von Manson prophezeiten ‚Rassenkrieg‘ „helter skelter“ zu überleben.manson06

Auf Beatles-Spirit-Unterlage wird der Alltag der Range anzitiert. Gitarre, Gewalt, Liebe, Drogen, Sex und satanistische Indoktrinierung stehen an der Tagesordnung. Wer möchte, kann sich vorstellen wofür Zeitungspapier, Knisterkaugummi, Malfarben und Messer stehen. Mit traurigem Ernst züchtigt Hanna Binder ihre drei Mitspielenden, erhebt sie auf die Stufe eines geliebten Subjekts und wirft sie nieder mit der Gewalt eines grenzenlosen Caligula. Braucht der freie Wille Grenzen? Die Unberechenbarkeit Charles Mansons wirkt auf mich im Publikum ein. Ich weiß nicht mehr, wann er wo wie auftauchen wird. Wann er zu schreien beginnt und wann er süß und liebevoll spricht.

Beeindruckend changiert Hanna Binder zwischen grollenden und sanften Stimmen. Zwischen klaren Worten und abstrusen Verschwörungstheorien. Zwischen positivem Hippie-Vibe und unmenschlicher Härte. Zwischen Verkörperung des irren Bösen und ironischer Distanzierung zwischen Schauspielerin und Rolle.

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Lustvoll beobachtet man neben Binder, die das Publikum in den Bann zu prügeln weiß, auch Naemi Latzer, die mit klebrigem Blick das Publikum mustert. Die sympathische, junge Frau (Michaela Schausberger )auf der Suche nach Anerkennung und Liebe erzählt, dass Sterben wie ein Orgasmus sei und man Liebe nur durch Schmerz und Angst finden könne. Ihre Gesichtsmuskeln deuten Glück an, während die Augen die Verletzung nicht verbergen können.

Die gewalttätige Naivität, die dichten, unauthentischen Emotionen – Naemi Latzer weiß das Sektenhafte in den Blick zu nehmen. Gruselig faszinierend ist der Blick in ihre Augen.

Dieser Blick, diese Morde – Charles Manson’s family bildet gemeinhin das Ende des Experiments der 1960er Jahre. Wenige Handgriffe hätten noch gefehlt, um die ideale Form für die Bühne zu finden. Aber auch so ist „Im Auftrag Charles Mansons“ die Reise in den Ersten Wiener Gemeindebezirk wert.

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Fazit: „Im Auftrag Charles Mansons“ ist ein Trigger, der Erinnerungen an reflexartige Unterwerfungen weckt. In mir kamen physisch gespeicherte Emotionen hoch, die mich von außen begreifen ließen, wie Macht funktioniert. Und wie sehr sich das Patriarchat mittels Verunsicherung und Verfügbarmachung in Körper und Geist einschreiben kann – wenn man es lässt.

IM AUFTRAG CHARLES MANSONS
Eine Stückentwicklung von achtungsetzdich! und dem Ensemble
Uraufführung
Eine Produktion von achtungsetzdich! in Kooperation mit WERK X
Inszenierung: Ursula Leitner & Valentin Werner
Mit: Hanna Binder, Naemi Latzer, Henrietta Isabella Rauth und Michaela Schausberger
Bühne/Kostüm: Sarah Sassen
Musik: Lars Völkerling
Regieassistenz: Christina Ulrich
Ausstattungsassistenz: Magdalena Lenhart

Fotocredit: © Nicole Viktorik

„Ich habe keine Sekte unter der Führung einer Frau gefunden.“ Ursula Leitner über „Im Auftrag Charles Mansons“

Charles Manson – Musiker, Serienkiller und Liebhaber. Kann man das so zusammenfassen? Achtungsetzdich hat mit den Schauspielerinnen Hanna Binder, Naemi Latzer, Henrietta Isabella Rauth und Michaela Schausberger ein Stück über die Faszination des Bösen, dem Männlichen im Sektenhaften und dem Drang nach Aufmerksamkeit entwickelt. Heute feiert „Im Auftrag Charles Mansons“ im Eldorado am Petersplatz Premiere. Die Regisseurin Ursula Leitner kommt vom Burgtheater und nimmt für diese Produktion die Kostüm/Bühnenbildnerin Sarah Sassen und den Musiker Lars Völkerling mit.

IM AUFTRAG CHARLES MANSONS

ab heute im Werk X – Eldorado.

Neue Wiener im Theater im Dezember: Macht & Rebel im Werk X

Den Nestroy gab’s für das derbe Stück aus der Vorstellungswelt des skandinavischen Autors Matias Faldbakken zwar schlussendlich nicht. Am 11. November hat sich trotzdem eine „Gruppe“ formiert und ist gemeinsam nach Wien-Meidling gefahren, um ein all-female Ensemble im Werk X zu sehen. Kurz vor Beginn habe ich kurz die Inhalte des Stücks umrissen und vom Menschenhass des Autors erzählt. Nach der Vorstellung trafen wir uns zum offenen Gespräch im Oswald, dem neuen Lokal direkt neben der Theater-Spielstätte. Auch die Schauspielerinnen Constanze Passin und Michaela Bilgeri, Dramaturgin Hannah Lioba Egenolf und Regisseur Ali „Hahn im Korb“ Abdullah nahmen am NEUE WIENER Gespräch teil.
Fazit des Abends: Aufgabe einer Dystopie ist es, Gedanken über mögliche Utopien anzuregen. Und: All-Female-Ensembles sind super! Wir wollen gerne mehr davon! (Nichts für ungut, Jungs 😉 )

Die Jugend bewaffnet sich. Thomas Köck und Elsa-Sophie Jach am Schauspielhaus Wien

„Heute heißt Freiheit verschuldete Müdigkeit.“ lässt Thomas Köck seinen Jugend-Chor sagen. Gemeinsam mit der Regisseurin Elsa-Sophie Jach ist dem jungen, österreichischen Dramatiker mit „Diese Zukunft reicht uns nicht (klagt, kinder, klagt)“ ein beeindruckender Blick in die politische und mediale Gegenwart gelungen. Erbschaftssteuer, Instagram, Schlagstöcke. Die Jugend hat begonnen Banden zu bilden.

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bis 16. Dezember 2017 im Schauspielhaus Wien. zu den Terminen

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„In Rumänien würde ich anders inszenieren.“ Alexandru Weinberger-Bara beendet das Reinhardt-Seminar

Mit dem antifaschistischen, dystopischen Drama FOXFINDER (Dawn King) schließt Alexandru Weinberger-Bara seine Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar ab. Im Wintergarten seines exklusiven Studienortes spricht der junge rumänische Regisseur über seine Liebe zu tiefen Figuren, das Max-Reinhardt-Seminar und, warum er in Rumänien anders inszenieren würde als im deutschsprachigen Raum.

FOXFINDER – ab heute im Max-Reinhardt-Seminar. mehr Informationen hier.

Der Eintritt ist bei freier Spende.

Das E-Book gibt es hier um €4,99.

Schorsch Kamerun feiert das Experiment

Ein „Opernspektakel über das Ende der Vielfalt“ feiert heute abend im Werk X Premiere. NEUE WIENER hat den Regisseur Schorsch Kamerun, auch bekannt als Sänger der Band Die goldenen Zitronen, kurz vor der Vorpremiere zum Interview getroffen.

„Ich möchte nicht sieben Wochen in einem Keller sitzen, dann nicht einmal mitspielen und vor der Premiere in der Kantine sitzen.“ – Schorsch Kamerun über kollaborative Arbeit am Theater, seine Rolle im Stück und die Notwendigkeit, das Experiment zu feiern, „solange es noch geht“.


ME ARE THE WORLD. Premiere: 18. 10. 2017. mehr Informationen hier.

Bonnie wartet und beschäftigt sich erst mal mit den schönen Dingen.

Fashionblogger, Foodblogger, Lifestyleblogger – alle Instagrammer muss man in diese Inszenierung reinsetzen, Leute, die sich am Sonntag gern Zeit fürs Feuilleton nehmen, und solche, die Spaß am cleveren Non-Sense haben. Wobei, Sinn macht dieser sehr gut gearbeitete, stürmische, klingende Theaterabend ja. Ich war bei „Arme Gerechtigkeit, liegst im Bett und hast kein Kleid“ von Franz-Xaver Mayr und Korbinian Schmidt im Theater Drachengasse.
*** Franz-Xaver Mayr ist aktuell für den NESTROY Preis 2017 nominiert. ***

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Sommerfrische im Bundesland

Liebe Leser_innen, ich darf mich aus der Sommerfrische melden. Nach dem fulminanten ersten Saisonabschluss der Volksbühne Wien bzw dem Vermittlungsnetzwerk Neue Wiener mit dem Publikumspreis für „Gold Schlamm Entertainment“ und der Premiere von „Perspektiven des Alltags. Neues Oberösterreich“ verbringen wir unsere heißen Sommernächte außerhalb Wiens und außerhalb von Theaterräumen. Dabei arbeiten wir natürlich schon schön vor, damit ihr ab September wieder in den Genuss von hoher Kunst zu niederschwelligem Einlass kommt. http://www.neuewiener.at & http://www.claragallistl.com werden für euch aufgeforstet.
With much love, c.