„Missionen der Schönheit“ am Werk X stellt mich vor ein Problem. Unbeeindruckt sitze ich nach der Vorstellung auf meinem Platz und frage mich: Warum bin ich überhaupt Theater-Bloggerin geworden? Eine Suche und 5 Fragen an das Stück.

Vor 3 Jahren habe ich begonnen, über Theater zu schreiben. Auf meinem eigenen Blog, ehrenamtlich. Tomas Schweigen hatte gerade mein geliebtes Schauspielhaus Wien übernommen und nach seiner Eröffungs-Inszenierung wusste ich nicht, wohin mit meiner Emotion. War meine Enttäuschung legitim? Ich beschloss, mutig zu sein und einfach drauflos zu bloggen. Heute bin ich froh über meinen Mut. Ich habe meine Meinung veröffentlicht ohne mich hinter intellektuellen Termini zu verstecken und bin dadurch mit dem Team des Schauspielhaus ins Gespräch gekommen. Heute fühle ich mich dort wie zuhause.

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Theater ist ein schwieriges Medium.

Die meisten Besucher_innen wurden im Kindes- oder Jugendalter an das Medium herangeführt. „Theater“ als Unterhaltungsgenre wirkt auf viele staubig, antiquiert, abgehoben; ein sozialer Ort für reiche Konservative und weltfremde Künstler_innen.

Ich versuche mit meinen Postings, Theater allgemein zugänglicher zu machen. Das kann ich natürlich nicht alleine. Wie jeder Mensch habe auch ich meine blind spots. Ich arbeite professionell „am Theater“ und muss mich täglich hüten, in meinen Postings nicht in den elfenbeinernen „Theatersprech“ zu verfallen.

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Bloggen vs. Kritisieren

Inszenierungen wie Julia Burgers „Missionen der Schönheit“ stellen mich vor ein Problem. Darf ich meine Meinung sagen? Und wenn ja, dann wie?

Als Bloggerin sollte ich emotionalisieren, aktivieren, vereinfachen. Als Kritikerin meine Meinung hinter wohlklingenden Beschreibungen verstecken. Ich habe Angst, jemanden mit meiner Meinung zu verletzen.

„Du schreibst eh immer voll lieb“, sagt meine Begleitung, als wir nach der Vorstellung von „Missionen der Schönheit“ über meine bevorstehende Arbeit sprechen. Tatsächlich versuche ich, in jedem Posting wertschätzend mit der Arbeit, die ich kritisiere, umzugehen. Aber plötzlich frage ich mich: Bin ich zu nett?

Ich erinnere mich an meinen ersten Post. Damals habe ich meine Erfahrung als Zuschauerin einfach minutiös kommentiert. Vielleicht ist das ein guter Weg: Fragen zu stellen.

5 Fragen an „Missionen der Schönheit“

Zwei Frauen führen dem Publikum insgesamt 8 Frauenmonologe vor. Die Frauen sind unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Sie beschreiben unterschiedliche Lebenserfahrungen, in denen es immer um einen gewaltsamen Aspekt von Schönheit oder dem Frau-Sein geht. Die Bühne ist sehr schön: Eine pastellfarbene Welt aus Gips: zerbrochene Körperteile, Aschenbecher und Flaschen. Es sieht aus wie auf der Akademie der Bildenden Künste. Was folgend passiert, zieht mich nicht an sich heran. Obwohl ich in der ersten Reihe sitze, bleibe ich emotional außerhalb der Inszenierung und stelle mir Fragen:

  1. Wieso schreiben die Spielerinnen die Ortsnamen aus dem Text auf ihre Körper?
  2. Ist der Text eigentlich fertig? Oder ist das ein Entwurf?
  3. Warum lachen Teile des Publikums?
  4. Warum tragen die Spielerinnen beige Bodies und schwarze Leggins?
  5. Wie lange wurde nach dem wiederkehrenden Song gesucht und warum wurde eben dieser ausgewählt?

Manchmal verstehe ich Theater nicht. Ich verstehe nicht, warum das jetzt hier passiert. Von außen kann man oft nicht sagen, ob etwas schief gegangen ist. Vielleicht hab ich diesen Abend auch einfach nicht kapiert.

Warum ich blogge?

Weil ich zeigen möchte, dass es im Sprechen über Theater kein Richtig und Falsch gibt; dass Theater auch für Profis ein schwieriges Medium ist und, weil ich spüren möchte, welcher Mut dazu nötig ist, seine Meinung ehrlich mitzuteilen.

Theater ist manchmal verstaubt, antiquiert und abgehoben. Es ist zum Teil ein abgeschlossenes System, in das die meisten sozialen Gruppen keinen Eingang finden.

Aber Theater ist auch vielfältig. Und es lohnt sich. Weil es zu Auseinandersetzung führt. Weil es zu Fragen, zu Konflikten, zu Kommunikation führt. Ich wünsche mir, dass weniger Mut nötig ist, um seine Meinung über Theater mitzuteilen.

Wenn sich mein Schreiben mutig anfühlt, weiß ich, dass ich das Richtige tue. Dann weiß ich, dass ich Fragen stelle, deren Antwort ich noch nicht kenne. Dann weiß ich, dass ich mich verletzlich mache, dass ich eine Kommunikation eröffne. Alles, was ich anbieten kann, ist ein genauer Blick, meine ehrliche Meinung und ihre wertschätzende Formulierung.

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Fazit: „Wie wenig es braucht, um ein Konzept zu behaupten“, wundert sich meine Sitznachbarin. Und ich wundere mich auch.

MISSIONEN DER SCHÖNHEIT. HOLOFERNESMOMENTE
Österreichische Erstaufführung
Eine Produktion von reschen.see in Kooperation mit WERK X
Inszenierung: Julia Burger; Bühne: Matthias Krische; Produktionsleitung: Stephan Werner; Assistenz: Natalja Kreil; mit: Paola Aguilera, Anna Kramer

Fotos: (c) Clara Gallistl. „HIRN einschalten“: STROTTER von Thomas Köck am Schauspielhaus Wien. alle anderen: MISSIONEN DER SCHÖNHEIT von Sibylle Berg am Werk X Wien.

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