Teil 2 der Reihe „Thomas Köck und Wien. Der Anfang“ [interview]
Wien, 8. März 2016
Katharina Schwarz zeichnet als Regisseurin für die österreichische Erstauffühung von Thomas Köcks Erfolgserstling “jenseits von fukuyama” verantwortlich. Der Text brachte Köck 2013 den frisch begründeten Osnabrücker Dramatiker_innenpreis und wurde 2014 in Osnabrück uraufgeführt. 2015 durfte das Nationaltheater Mannheim Köcks Stück seinem Publikum vorstellen und nun ist endlich Wien an der Reihe. Zwei Stunden vor der Premiere in der Drachengasse habe ich Katharina Schwarz im Café Altwien zu meinem persönlichen Einführungsgespräch getroffen.

Clara Gallistl: Hallo! Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast! Bist du nervös?

Katharina Schwarz: (lacht) Nicht wirklich. Na, ein bisschen schon.

Foto2Wie ging es dir bei der Arbeit? Thomas Köck blickt (noch) auf keine große Inszenierungstradition zurück. Hast du dich in deiner Arbeit an den anderen Inszenierungen in Osnabrück und Mannheim orientiert?

Ich habe nur Ausschnitte gesehen. Dass ich mir die Inszenierungen angesehen habe, ist sich leider nicht ausgegangen. Das Konzept für unsere Inszenierung war allerdings schon fertig bevor ich mir die anderen Inszenierungen angesehen habe.

War es schwierig, den Text für die Bühne zu übersetzen?

Man muss den Text neu erfinden. Es ist nicht aufgelegt, wie die Übertragung funktioniert. Im Text ist viel chorisch angelegt. Mir war wichtig, dass die Leute auf der Bühne einen gemeinsamen Atem bekommen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Samuel Schaab? Wie habt ihr euch gefunden?

Ich kenne Samuel schon lange. Wir haben schon einiges miteinander gemacht (zum Beispiel “Das Sausen der Welt” vor einiger Zeit am Schauspielhaus Wien) Er ist eigentlich bildender Künstler. Man merkt das auch auf der Bühne. Wir wollten eine abstrakte, absurde Arbeitswelt entwerfen. Die Bühne ist daher das Arbeitsmaterial, das als Hindernis und Mittel der Figuren fungiert. Außerdem ist die Bühne auch Musikinstrument. Sound und Licht sind in Samuels Kunst auch abseits des Theaters wichtig.

Habt ihr das Konzept zu “jenseits von fukuyama” gemeinsam entwickelt?

Ja. Ich bin mit dem Text zu ihm gekommen und hab gefragt, ob er Lust hat. Wir haben viel über die Themen des Stückes diskutiert, vor allem über die Frage: “Was ist Arbeiten?”

Was gefällt dir am Text? Was macht Probleme/wo liegen die Herausforderungen?

Toll ist, dass Thomas ein Autor ist, der den Text als Material sieht. Schwierig war vielleicht die Form: Es gibt einen Chor, aus dem sich Figuren herausschälen. Da muss man die Frage beantworten: Ab wann ist die Figur eine Figur und wann ist sie Chor?

Peter Stein sagt, man muss mit einer Inszenierung dem Willen des Autors gerecht werden. War das für euch Thema? Habt ihr Angst gehabt, etwas “falsch” zu machen?

Nein. – Ich denke, man muss einer Wut gerecht werden. Es gibt diese Verzweiflung über die Verhältnisse, in denen wir leben. Gleichzeitig weiß man aber auch nicht, wie man das alles anders machen kann. Viel Humor ist drin, aber man darf den Text nicht darauf reduzieren. Man kann sich 2016 nicht hinstellen und den Leuten sagen, wie es geht.

Das ist interessant. Ich habe nämlich den Eindruck, dass mich die permanente Sprachlosigkeit zeitgenössischer Dramatik oft frustriert. Ich wünsche mir dann Texte, die mir irgendeine Art von Antwort geben.

Sprachlosigkeit gibt’s hier nicht! (lacht) Es ist eher eine Sprachflut! Ein Ringen um Worte während man spricht. Man kann nie aufhören zu reden, weil’s nie so ganz stimmt, was man sagt.

War das dein erster Kontakt mit Thomas Köck?

Nein, wir kennen uns schon lange. Als ich Regieassistentin am Schauspielhaus Wien war, habe ich auch die Schreibklassen mitbetreut, in denen Thomas damals war. Später haben wir uns zufällig in Linz getroffen und dort spontan gemeinsam “Abendland” gemacht im Foyer des Landestheaters.

War er bei den Proben?

Einmal ist er vorbeigekommen. Das war schön. Er hat sich sofort eingebracht ohne einen Überprüfer-Blick an unsere Arbeit anzulegen. Die Schauspieler_innen hatten viele Fragen. Es war gut, die mit ihm diskutieren zu können.

Welche Fragen haben die Schauspieler_innen gestellt?

Hm. Ein Schauspieler wollte zum Beispiel wissen, wie ernst was gemeint ist. – In der Diskussion ging es viel um die Fragen: Aus welcher Haltung kommt der Text? Welche Stimmung liegt in der Szene? Einige wollten auch wissen, wie der Text entstanden ist. Also: Was Thomas gemacht hat, während er geschrieben hat.

Witzig. Ja, das ist spannend! Hat er daneben Musik gehört? Wenn ja, welche? Ist der Fernseher gelaufen oder war er in der Enklave? – Um zurück zum Text zu kommen: Sind das psychologische Figuren?

Nein. Es beginnt abstrakt, als Chor. Aus dem Chor steigen Figuren heraus in Situationen. Thomas hat irgendwann einmal sehr treffend über seinen Text gesagt „plötzlich ist man in einem Theaterstück“. Das bricht dann aber wieder.

Ist das die große Herausforderung, die Thomas Köck an die Schauspieler_innen stellt?

Ja, der Text fordert, eine Haltung zu finden, aus der heraus man ihn vertreten kann. Man kann sich nicht in Figuren zurückziehen, deren Positionierung vorgegeben ist. Gleichzeitig muss man den Text aber auch von sich fernhalten, weil es nicht zu privat werden darf.

Wow. Das klingt ja spannend. Dann schauen wir rüber, oder?

Ja, ich glaube, es wird Zeit!

 

Wir zahlen beim Oberkellner. Ich meinen Verlängerten Braun, Katharina Schwarz ihren gespritzten Apfelsaft. Am Weg in die Drachengasse plaudern wir weiter bis die Erstaufführungsregisseurin über die Treppen hoch zur Arbeit muss. Ich warte noch einen Moment in der Kälte, bevor ich mich in die Menschenmenge begebe. Im Saal ist der Autor anwesend. Zwei Stunden später wird er sich in dunkler Sportjacke, mit Haube in der Hand und zufrieden lächelnd zu den Schauspieler_innen für den Applaus auf die Bühne begeben. Es wird ein schöner, lustiger und anstrengender Abend gewesen sein. (Hier geht’s weiter zur Stückkritik.)
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Johanna Rehm als unbezahlte Mitarbeiterin Julia und Pilar Aguilera als gut situierte Chefin Dr. Phekta in der Arbeitswelt- und Kommunikationsmaschine von Samuel Schaab.

Szene-Foto: (c) Andreas Friess / picturedesk. Portrait Katharina Schwarz: (c) Magda Tothova.


Katharina Schwarz: Geboren 1980 in Wien. Nach Jahren in der freien Theaterszene in Wien (als Regieassistentin, Schauspielerin und Regisseurin) war sie 2008–2010 Regieassistentin am Schauspielhaus Wien. Ab 2011 realisierte sie dort Inszenierungen wie Das Sausen der Welt und Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends – beides von PeterLicht – und zahlreiche szenische Lesungen und Jugendprojekte. Außerdem inszenierte sie beispielsweise mehrfach in diversen Spielstätten des Linzer Landestheaters – unter anderem hamlet ist tot. keine schwerkraft von Ewald Palmetshofer oder Monsun von Anja Hilling – oder für die Vereinigten Bühnen Bozen unter anderem Tschick nach Wolfgang Herrndorf. Seit 2014/2015 begleitet sie den Nachwuchswettbewerb im Theater Drachengasse als Dramaturgin. Katharina Schwarz lebt als freie Regisseurin in Wien.

Link zur Stückinformation/drachengasse.at.
Vorstellungen zwischen 7. – 19. März und 30. März – 16. April 2016 (Di-Sa um 20 Uhr).
⇒TIPP: In der Pressemappe zur Inszenierung findet sich ein Text von Thomas Köck zu seinem Stück: „totalliberalisierung zweipunktnull“.

Weitere Stücke von Thomas Köck in Wien:

„Isabelle H. (geopfert wird immer)“ (Österr. Erstaufführung) ab 12. März Volkstheater Wien
“STROTTER. Ein postapokalyptischer Spaziergang” (URAUFFÜHRUNG) ab 1. April Schauspielhaus Wien.

Reihe „Thomas Köck und Wien. Der Anfang“
1 – Interview mit Regisseur Felix Hafner /“isabelle h. (geopfert wird immer)“ Volkstheater Wien.
2 – [you are here] Interview mit Regisseurin Katharina Schwarz /“jenseits von fukuyama“ Drachengasse Wien.
3 – Rezension von „jenseits von fukuyama“ Drachengasse.
4 – Rezension von „isabelle h. (geopfert wird immer)“ Volkstheater. [premiert 12.3.]

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